So hat es sich jedenfalls oft angefühlt, als ich in einer berufsvorbereitenden Maßnahme tätig war. Ich war Ausbilderin für den Bereich Garten- und Landschaftsbau und unterrichtete Schulabgänger, die keinen Ausbildungsplatz gefunden hatten. Neben Fachpraxis und -theorie gab ich Unterricht in den Fächern Mathe, Wirtschaft und Politik. Das stieß bei den Jugendlichen allerdings meist auf wenig Interesse und gestaltete sich für mich deshalb oft ziemlich zäh.
Meine Highlights waren gelegentliche Einzelgespräche mit den Jugendlichen. Dabei ging es oft um Schwierigkeiten bei der Stellensuche und Bewerbung . Für manche war die Entscheidung für einen Beruf eine große Herausforderung. Ich liebte es, den Jugendlichen dabei zu helfen, heraus zu finden, was sie eigentlich selber wollten - statt immer nur auf Eltern, Lehrer und Co zu hören. Und sie darin zu bestärken und zu ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen.
Ich erinnere mich noch genau daran, wie mir während einem dieser Gespräche der Gedanke kam: „Das ist doch Coaching, was ich hier mache. Das ist genau mein Ding - das will ich machen!“
Da war er das erste mal erwacht, dieser Wunsch: „Ich will Coach werden.“ Und schlummerte dann erstmal wieder ein.
Ein paar Monate später stolperte ich „zufällig“ über ein Angebot für eine Coaching-Ausbildung. Mein Wunsch, Coach zu werden, wurde wieder wach gerüttelt. Und gleichzeitig wachten auch die Zweifel auf. „Coach werden - ich? Kann ich das überhaupt?" Ich sah mich eher als bodenständig und praktisch orientiert.
Ich ging mit den Zweifeln zur Info-Veranstaltung. Die dort vorgestellten Inhalte der Ausbildung klangen so spannend, dass die Zweifel immer leiser wurden. Ich hatte so viel Lust darauf, etwas neues zu lernen und mich persönlich und beruflich weiter zu entwickeln. Mein Ziel war erstmal, mich selbst zu coachen. Themen hatte ich ja genug.
Am nächsten Tag meldete ich mich an.
Kurz vor Beginn der Weiterbildung wurden die Zweifel dann nochmal richtig laut. „Kann ich das?“ Je mehr ich übers Coachen las, desto mehr bekam ich den Eindruck, dass das eine verdammt große Aufgabe ist. „Würde ich der gewachsen sein?“
Außerdem machte ich mir Gedanken über die anderen Teilnehmer in der Ausbildung. „Wie sind die? Passe ich da rein? Sind Coaches nicht ganz anders als ich? Erfolgreicher, alle Probleme gelöst, total schlau, gut verdienend, besser gekleidet, schickes Auto statt Fahrrad…"
Das erste Ausbildungs-Wochenende stand vor der Tür und ich war ziemlich aufgeregt. Ich erinnere mich noch, wie ich mit weichen Knien die Treppe hoch ging, meine Jacke an die Garderobe hängte und in den Seminarraum ging. Und dann waren da lauter nette und total normale Menschen! War ich erleichtert.
Jetzt freute ich mich, dass es endlich losging.
Seit Abschluss meines Studiums waren schon 10 Jahre vergangen. In meinem beruflichen Alltag ging die intellektuelle Herausforderung oft nicht darüber hinaus, den schulmüden Jugendlichen zum x-ten mal den Dreisatz zu erklären. Ich merkte, wie hungrig ich nach neuem Wissen war und fand es auf eine angenehme Weise herausfordernd, mich mit neuen theoretischen Konzepten zu beschäftigen. Ich saugte das neue Wissen förmlich in mich auf.
Soweit die Theorie.
Die größere Herausforderung war die Praxis - also das Coachen.
Wenn ich in den Übungs-Coachings die Rolle des Coaches hatte, fühlte ich mich unsicher und überfordert. Es gab so viel, worauf ich achten sollte - wie sollte ich das bloß hin kriegen?
Am Anfang der Ausbildung dachte ich noch, dass ich die Lösung für das Problem meines Klienten wissen müsste. Das führte dazu, dass ich während des Coaching-Gespräches viel zu wenig beim Coachee war, nicht richtig zugehört habe und die ganze Zeit überlegt habe, was wohl die Lösung sein könnte. Und dann mit einer Idee um die Ecke kam, die natürlich nicht passte.
Dann habe ich gelernt, dass der Klient der Experte für sein Problem ist und deshalb auch nur selber die Lösung für sein Problem finden kann. Mein Job als Coach ist es, ihm zu helfen, die Lösung in sich selbst zu entdecken. Das Werkzeug dazu sollten die richtigen Fragen sein. Also überlegte ich jetzt während des ganzen Gespräches, was für eine schlaue Frage ich als nächstes stellen sollte. Auch nicht wirklich erfolgreich.
Wenn ich den anderen bei den Übungs-Coachings zusah, fand ich es viel einfacher. Ich nahm meist ganz deutlich wahr, wo es hakte. Und manchmal hatte ich richtig gute Ideen. Aber mit dem selber coachen hielt ich mich zurück. Ich hatte Schiss.
Es war wie Schwimmen lernen.
Ich hatte bisher nur Trockenübungen gemacht und traute mich nicht ins Wasser. Dabei war ich sogar mal Rettungsschwimmerin bei der DLRG.
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich beim Schwimmen lernen jemals Angst vor dem Wasser hatte. Ich wusste, dass das Wasser mich trägt - ohne großes „rumzappeln".
Warum konnte ich mich nicht genauso vertrauensvoll in den Coaching-Prozess stürzen?
Coachen lernt man nur beim Coachen.
Ich sollte lernen, dem Prozess zu vertrauen. Aber wie genau geht das?
Als Gärtnerin weiß ich, dass manche Samen schnell keimen und manche mehr Zeit brauchen. Kresse zum Beispiel braucht nur ein paar Tage, bei Petersilie kann es ein paar Wochen dauern. Und bei manchen Pflanzen dauert es noch länger, weil erst sogenannte Keimhemmungen abgebaut werden müssen - so wie bei mir.
Es war während der Lektüre von „Miteinander Reden, Band 2", als mir endlich ein Licht aufging.
"Ein Mensch verändert sich grundlegend nicht dadurch, dass ein "Profi" ihn nach den Regeln der Kunst diagnostiziert und "behandelt", sondern dadurch, dass ein anteilnehmender Mitmensch eine Beziehung zu ihm eingeht, die durch Echtheit, Akzeptierung und Empathie (...) gekennzeichnet ist."
Ich musste niemanden behandeln, sondern durfte das tun, was ich sowieso schon tat: echt sein, mein Gegenüber akzeptieren und mich einfühlen. Was für eine Erleichterung in dieser Erkenntnis lag.
Schulz von Thun wählte für diese Haltung das Bild von einem Gärtner:
„ … der, anstatt an der Pflanze kräftig zu ziehen, nur die äußeren Bedingungen (Licht, Boden, Wasser) günstig gestaltet und sich ansonsten davor hütet, etwas zu stören, was nur aus sich selbst heraus wachsen kann.“
Das kannte ich. Das konnte ich.
Und endlich lernte ich, dem Prozess zu vertrauen.
Ich hätte nicht gedacht, dass mich die Fähigkeiten, die mich zu einer guten Gärtnerin machten mich auch zu einem guten Coach machen würden.
Für mich schloss sich damit ein Kreis: von der Gärtnerin zum Coach.
In meiner Abschlussarbeit zur Coaching-Weiterbildung habe ich geschrieben, dass mit der Coaching-Ausbildung die losen Enden meines Berufslebens zusammengeführt worden sind und endlich alles einen Sinn macht.
Aus heutiger Sicht kann ich sagen: Sinn - ja. Und es war erst der Anfang einer langen Entwicklung - wie ein Samen, der in die Erde gelegt wurde und gerade gekeimt ist.
Welchen Samen möchtest du in dir zum Keimen bringen?
Inzwischen ist es meine Spezialität, meinen Klienten dabei zu helfen, ihre „Keimhemmungen" abzubauen und ihr Wachstum zu fördern. Sei es beim Lernen für die Berufsausbildung, bei der Prüfungsvorbereitung, bei der beruflichen Weiterentwicklung oder der Neu-Orientierung.
Was möchtest du aus dir selbst heraus zum Wachsen bringen?
Wenn du vielleicht gerade eine „Keimhemmung" hast oder nicht weißt, wohin du weiter wachsen willst, dann schreib' mir!
Eva Helms
Jean von Allwörden
ja, neurographisch Zeichnen ist wie Samen auslegen. 😉
Liebe Grüße, Jean
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